

UNITE ist die Startup Factory für wissenschaftsbasierte Gründungen in Berlin-Brandenburg. Das Projekt wird getragen von einem breit aufgestellten Konsortium aus Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Innovationszentren, Startups, Unternehmen, Stiftungen und zivilgesellschaftlichen Akteuren. UNITE schafft die Brücke von der Forschung in den Markt – mit skalierbaren Programmen, Seed-Finanzierung und internationaler Anschlussfähigkeit. Die operative Umsetzung startet 2026. UNITE wurde im Juli 2025 als einer der Gewinner im EXIST-Leuchtturmwettbewerb ausgezeichnet und wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert.
Frau Möller, bitte erzählen Sie uns etwas über Ihren persönlichen Werdegang und über Ihre Vision beim Aufbau von UNITE.
Ich komme ursprünglich aus dem VC-Bereich und habe 10 Jahre bei IBB Ventures und bei Burda Principal Investments gearbeitet. In der Zeit habe ich mich sowohl mit sehr frühphasigen Startups als auch später mit Scale-ups beschäftigt. Ich bin auch selbst als Business Angel aktiv gewesen.
Vor anderthalb Jahren habe ich als Direktorin die Leitung des Künstliche Intelligenz Entrepreneurship Zentrums (K.I.E.Z.) übernommen. Dort fördern wir wissenschaftsbasierte KI-Startups – vor allem solche, die aus den Berliner Universitäten FU, TU, HU und der Charité-Universitätsmedizin ausgegründet wurden oder aber auch Zugang zu den Hochschulen suchen. K.I.E.Z. ist bereits ein tolles Beispiel, wie sich Gründungszahlen skalieren lassen, wenn der Transfer über die Grenzen einzelner Wissenschaftseinrichtungen hinaus stattfindet.
Das ist sicherlich auch ein Grund, warum mir früh die Projektleitung für UNITE übertragen wurde. Was mich antreibt, ist, das immense Potenzial der Berliner Forschungseinrichtungen in erfolgreiche Startups umzuwandeln. Mit UNITE wollen wir eine Struktur schaffen, die aus akademischen Impulsen reale Lösungen und tragfähige Unternehmen entstehen lässt. Meine Vision ist, dass wir in zehn Jahren auf eine Vielzahl von Deep-Tech-Startups aus unseren Hochschulen blicken können – und dass Berlin-Brandenburg sich als europäischer Hotspot für wissenschaftsbasierte Gründungen etabliert hat.
Mit UNITE verfolgen Sie das Ziel, Synergien zwischen wissenschaftlicher Innovation und kommerziellen Wachstumschancen in der Hauptstadtregion besser zu nutzen. Wie werden Sie konkret gründungsaffine Studentinnen oder Gründer unterstützen?
Das enorme Potenzial der Hauptstadtregion mit seinen über 250.000 Studierenden und 30.000 Forschenden spiegelt sich bislang noch nicht ausreichend in der Anzahl erfolgreicher Ausgründungen wider. Ich denke, das liegt im Wesentlichen an zwei Dingen: zum einen fehlt es in vielen Studiengängen an unternehmerischem Denken und zum anderen ist unsere Förderlandschaft in Berlin und Brandenburg zu fragmentiert, teilweise sogar lückenhaft.
Genau hier wollen wir mit UNITE Wirkung entfalten. Studierende und Forschende sollen leichten Zugang zu Wissen rund um das Thema Entrepreneurship erhalten. Oder genauer gesagt: Wir wollen dahin kommen, dass jedes Jahr 50.000 Talente Entrepreneurship-Impulse parallel zu ihrem Fachstudium erhalten. Um diese Zahlen zu erreichen, müssen wir das Thema auch methodisch ganz neu denken und institutionsübergreifend arbeiten.
Genauso ist es mit der Gründungsunterstützung. Da wird bereits heute an den zahlreichen Gründungszentren ganz hervorragende Arbeit geleistet, aber vielfach sind die Strukturen der einzelnen Institutionen an ihre Kapazitätsgrenzen gekommen. Um Input und Output zu skalieren, müssen wir vor allem die Potenziale heben, die in einer Zusammenarbeit liegen. Hierzu entwickeln wir beispielsweise eine gemeinsame Softwareplattform – den UNITE Core. Dadurch wird unter anderem eine gemeinsame Nutzung vorhandener Büro- und Laborkapazitäten möglich und der Einstieg in das gesamte Ökosystem für Gründer:innen, Investor:innen und auch die Wirtschaft vereinfacht.
Zunächst hatten sich Berliner Hochschulen und Transferstellen zu einem Projekt zusammengefunden. UNITE wurde schließlich auch mit Partnern aus Brandenburg gegründet. Wie kam es dazu?
Anfänglich hatten Wissenschaftseinrichtungen in beiden Bundesländern separate Bewerbungen in Erwägung gezogen, bald aber festgestellt, dass ein gemeinsames Vorgehen erfolgversprechender ist. Berlin hatte sich bereits auf die Marke UNITE verständigt und die passte auch gut für Berlin-Brandenburg. Deshalb blieb es dabei. Die Kooperation hat sich seitdem organisch entwickelt – und sie macht unser Netzwerk deutlich robuster und zukunftsfähiger. Jedes Bundesland bringt seine Stärken ein: Berlin hat beispielsweise ein sehr starkes Investorennetzwerk. Brandenburg ist unverzichtbar, wenn es um grüne Technologien geht. Dass wir Anfang Juli vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zu einem von bundesweit zehn Leuchttürmen gekürt wurden, zeigt, dass unser gemeinsames Vorgehen erfolgreich ist.
Was schätzen Sie am Umfeld der Wirtschaftsregion Berlin-Brandenburg – und von welchen Standortvorteilen kann UNITE besonders profitieren?
Die Region ist einzigartig: Internationalität, Forschungsdichte und Kreativität treffen hier auf politisches Denken, Industriekompetenz und gesellschaftliches Engagement. Und vor allem auch der Strukturwandel, der gerade in Brandenburg stattfindet, eröffnet zusätzliche Chancen für neue Wertschöpfung und zukunftsorientierte Geschäftsmodelle.
Das Ökosystem ist nicht nur groß, sondern auch vielfältig. Für UNITE bedeutet das: Wir können sehr unterschiedliche Talente, Technologien und Kapitalquellen zusammenbringen. Und: Wir haben Platz zum Wachsen – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn.
An welchen Stellen wünschen Sie sich noch mehr Unterstützung durch beide Länder?
Wir haben in den vergangenen Monaten aus dem politischen Raum viel Unterstützung für UNITE erfahren. So wird UNITE mittlerweile als zentrale Einheit für den zukünftigen Technologietransfer durch Startup-Gründungen und die Gründungsförderung anerkannt. Der Berliner Senat unterstützt die Deep-Tech-Strategie von UNITE zusätzlich mit einem neuen Pre-Seed-Fonds speziell für frühphasige Deep-Tech-Gründungen. Zudem wollen die Wissenschafts- und Wirtschaftsverwaltungen der beiden Länder im Bereich Transfer intensivieren. Auf dem Programm steht dabei auch die Einführung einer neuen IP-Strategie.
Brandenburg hat bereits 2023 einen Venture Fonds in Höhe von 100 Mio. Euro aufgelegt – dieser ist allerdings nicht speziell auf die besonderen Bedürfnisse von Deep-Tech-Startups ausgerichtet. Zudem sind 2025 in Brandenburg sechs neue Startup-Zentren an den Start gegangen. Besonders in den Wachstumsphasen werden Gründerteams von den erweiterten Unterstützungsangeboten profitieren.
Aber es gibt auch einige Punkte, die wir mit Besorgnis beobachten. In Berlin sind es vor allem die Kürzungen, die derzeit im Landeshaushalt vorgenommen werden müssen. Diese btreffen vor allem die Universitäten und Hochschulen. Wenn wir erfolgreiche Deep-Tech-Startups wollen, brauchen wir exzellente Wissenschaft und Forschungsergebnisse, die sich in die wirtschaftliche Verwertung überführen lassen. Das eine bedingt das andere.
Wie wird sich die Gründungslandschaft in der Metropolregion in zehn Jahren durch das Projekt verändert haben?
Ich hoffe, dass wir in zehn Jahren gar nicht mehr darüber sprechen, wie selten forschungsnahe Gründungen sind – weil sie selbstverständlich geworden sind. Dass Promovierende genauso selbstverständlich über ein eigenes Unternehmen nachdenken wie über eine akademische Karriere und dass Berlin-Brandenburg sich als Region versteht, in der Wissen gezielt in Wirkung übersetzt wird – und zwar mit internationaler Strahlkraft.
Oft gehen Start-ups nach den ersten Finanzierungsrunden in die USA, da dort die Anschlussfinanzierung einfacher ist. Wie schätzen Sie die Chancen ein, erfolgreiche Jungunternehmen in der Wirtschaftsregion zu halten und den Zugang zu Risikokapital zu vereinfachen?
Wir brauchen in Europa – und besonders hier – mehr mutige Investor:innen, die technologieintensive Gründungen verstehen und begleiten. Erste Bewegungen sind da, und mit UNITE wollen wir diesen Trend verstärken: durch gezielte Matching-Formate, durch starke Sichtbarkeit und durch langfristige Begleitung. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, bleiben viele gerne – nicht zuletzt, weil Berlin-Brandenburg ein attraktiver Lebens- und Arbeitsort ist. Wichtig ist auch, dass die gegründeten Startups mit den richtigen Ambitionen und hoher Qualität Investoren und Investorinnen überzeugen und sich Verwaltung, Mittelstand und große Unternehmen für die Zusammenarbeit mit Startups öffnen. Insbesondere letzteres ist in den USA durchaus attraktiver. Einkaufsentscheidungen werden nicht basierend auf Risikoabwägung, sondern mit Blick auf das Erfolgspotenzial und den erwarteten Return on Investment getroffen. Der Zugang zu Venture Capital ist ein Ergebnis der höheren Wachstumsgeschwindigkeit.
Als größte Hürde für Gründungen wird oft die Bürokratie genannt, insbesondere lange Genehmigungsverfahren in Bezug auf Fördermittel. Wie könnte der Prozess aus ihrer Sicht vereinfacht werden?
Wir müssen weg vom Antragsdschungel und hin zu nutzerzentrierten, digitalen Lösungen. Förderanträge sollten nicht abschrecken, sondern ermutigen. Das bedeutet: verständlichere Prozesse, bessere Kommunikation, weniger Nachweisdruck – und mehr Vertrauen in die Menschen, die unternehmerisch Verantwortung übernehmen wollen. UNITE versteht sich hier auch als Schnittstelle und Übersetzerin zwischen Gründenden und Behörden.
Der Anteil von Frauen unter Startup-Gründenden liegt in Deutschland bei nur etwa 19 Prozent und ist aktuell rückläufig. Wo sehen Sie die Ursachen für diese Entwicklung und was kann UNITE tun, um bessere Rahmenbedingungen zu schaffen und junge Frauen zu motivieren?
Eines der zentralen Ziele von UNITE ist es, den Anteil von Gründerinnen bis 2030 auf 30 Prozent – langfristig auf 40 Prozent – zu steigern. Dafür braucht es gezielte Förderung, aber vor allem auch Vorbilder, Netzwerke und eine Kultur des Zutrauens. Viele Frauen erleben immer noch strukturelle Hürden – von mangelnder Sichtbarkeit bis hin zu fehlendem Zugang zu Kapital. UNITE will nicht nur mehr Frauen für unternehmerisches Denken begeistern, sondern auch Barrieren abbauen, etwa durch den Ausbau der bereits bestehenden Angebote wie das Female Founders Network, weibliche Mentorinnen und eine offene, unterstützende Community.
Staatliche Behörden vergeben sehr selten Aufträge an junge Unternehmen. An Ausschreibungen können sie sich oft gar nicht beteiligen, da man nachweisen muss, dass die Firma schon drei Jahre erfolgreich existiert. Sehen Sie hier positive Entwicklungen in Bezug auf das Risikobewusstsein bei Bund und Ländern?
Es bewegt sich etwas – aber wir brauchen einen echten Kulturwandel in der öffentlichen Vergabe. Wenn der Staat Innovation will, muss er auch bereit sein, neue Anbieter zuzulassen. Es braucht eine Kultur des Wagens, um wirkliche Fortschritte zu machen. Die immer gleichen Pfade werden nicht zu neuen Zielen führen. Pilotprojekte, Testfelder und innovationsfreundliche Ausschreibungen können hier viel bewirken. UNITE möchte diesen Dialog mitgestalten – und zeigen, dass gerade junge Unternehmen oft die besten Antworten auf aktuelle Herausforderungen liefern.